Um die Abnehmspritze Wegovy des dänischen Herstellers Novo Nordisk ist ein regelrechter Hype entstanden. Nun wird das Medikament auch in deutschen Apotheken angeboten.
Eigentlich ist Wegovy schon seit Anfang 2022 in der EU zugelassen, bisher war es jedoch auf dem europäischen Markt nicht verfügbar. Für wen das Mittel geeignet ist, warum so viel darüber diskutiert wird und welche Nebenwirkungen auftreten können, erfahren Sie hier.
Was hat es mit dem Hype um Wegovy auf sich?
Über das Medikament mit dem Wirkstoff Semaglutid wurde schon vor vielen Monaten in sozialen Netzwerken gesprochen, auch weil einige Promis damit abgenommen haben sollen. So erwähnte Techmilliardär Elon Musk auf die Frage nach dem Geheimnis seines Aussehens neben dem Fasten den Namen des Mittels – Ärzte berichteten von verstärkter Nachfrage.
Auch auf TikTok werden von Influencern Vorher-nachher-Bilder präsentiert, Beiträge mit dem Hashtag #Wegovy erzielen Hunderte Millionen Aufrufe. Von einigen Menschen wird das Arzneimittel offenbar als Lifestyle-Medikament verstanden, mit dem man sein Körpergewicht leicht unter Kontrolle halten kann.
Ob der Hype um das Medikament allein durch soziale Netzwerke entstanden ist, darf allerdings bezweifelt werden. Laut dem britischen »Observer« haben mehrere Experten, die Wegovy öffentlich lobten, Geld vom Hersteller erhalten. Die Rede ist von einer »orchestrierten PR-Kampagne«.
Demnach soll Novo Nordisk umgerechnet knapp 24,5 Millionen Euro an Gesundheitsorganisationen und Fachleute gezahlt haben. Es gebe laut »Observer« zwar keine Hinweise darauf, dass die Zahlungen gegen Regeln verstoßen haben. In einigen Fällen sollen Experten aber verschwiegen haben, finanziell vom Hersteller unterstützt worden zu sein.
Wie wirkt Wegovy?
Der Wirkstoff Semaglutid ist ein sogenanntes GLP-1-Analogon, das unter dem Namen »Ozempic« in geringerer Dosierung schon seit 2018 für die Behandlung von Diabetes Typ 2 zugelassen ist. GLP-1 ist ein Peptidhormon, das unter anderem die Insulinausschüttung reguliert, den Appetit verringert und somit auch die Kalorienaufnahme reduziert.
Semaglutid ahmt die Wirkung dieses körpereigenen Hormons nach – es verstärkt also das Sättigungsgefühl und vermindert Heißhungerattacken. Wegovy wird einmal pro Woche vom Patienten selbst unter die Haut gespritzt. Der Wirkstoff befindet sich in sogenannten Fertigpens, die einfach anzuwenden sind und einem Textmarker ähneln.
Wer kann von Wegovy profitieren?
Das Medikament ist zur langfristigen Gewichtskontrolle bei Menschen mit Adipositas zugelassen. Es kann ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 verschrieben werden. Wenn mindestens eine gewichtsbedingte Erkrankung wie zum Beispiel Bluthochdruck oder Diabetes vorliegt, kann das Mittel auch schon bei einem BMI ab 27 eingesetzt werden.
Allerdings hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass Medikamente mit Semaglutid von Ärztinnen und Ärzte immer wieder »off-label«, also nicht gemäß Zulassung verordnet wurden. Offenbar wurde abnehmwilligen Menschen mehrfach das Diabetesmittel »Ozempic« verschrieben, was die Versorgung zwischenzeitlich ins Stocken brachte.
Auch im Falle von Wegovy bittet der Hersteller Ärztinnen und Ärzte, »das Mittel verantwortungsvoll zu verschreiben«. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie warnte bereits im November vergangenen Jahres davor, GLP-1 Rezeptor-Agonisten wie Semaglutid als Lifestyle-Medikamente zu missbrauchen.
Was leistet das Medikament?
Laut einer Studie im »New England Journal of Medicine« mit insgesamt fast 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern hatten Wegovy-Probanden nach 68 Wochen im Schnitt 15 Prozent abgenommen. Die Vergleichsgruppe erreichte mit einem Scheinmedikament nur einen Verlust von gut zwei Prozent. Von der Anwendung durch Normalgewichtige, die zum Beispiel vor einem Strandurlaub ein paar Pölsterchen loswerden wollen, raten Fachleute aber klar ab. Das Verhältnis von Nutzen und Risiko stimme dann nicht.
Auch Christian Sina, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, dämpft allzu hohe Erwartungen. »Dieses Medikament allein ist sicherlich kein Zaubermittel«, sagt Sina. Eine Therapie gegen Adipositas beziehungsweise Typ-2-Diabetes sollte immer in ein Behandlungskonzept eingebunden sein, in dem es vorrangig um eine Veränderung des Lebensstils geht.
Die Motivation für eine gesündere Ernährung und mehr Bewegung ist laut Sina unerlässlich. »Wer dazu nicht bereit ist, dem werden auch Medikamente wie Wegovy nur in begrenztem Rahmen helfen.« Das ganze Interview mit Christian Sina lesen Sie hier.
Welche Nebenwirkungen können auftreten?
Semaglutid greift erheblich in den Stoffwechsel ein, die Menge des Peptidhormons GLP-1 wird dauerhaft erhöht. Patientinnen und Patienten berichteten von Übelkeit, Durchfall, Verstopfung und Erbrechen.
Der Hersteller nennt auf seiner Website auch noch andere mögliche Nebenwirkungen. Dazu gehören unter anderem Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, Gallensteine, ein Risiko für niedrigen Blutzucker und Sehstörungen bei Typ-2-Diabetikern. Der Sicherheitsausschuss der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA prüft zudem gerade, ob unter Wegovy das Risiko für Suizidgedanken und Gedanken an Selbstverletzung erhöht sein könnte.
Allerdings ist laut EMA noch nicht klar, ob die gemeldeten Fälle mit den Arzneimitteln selbst oder mit den Grunderkrankungen der Patientinnen und Patienten oder anderen Faktoren zusammenhängen. Ebenfalls untersucht wird, ob der Wirkstoff Semaglutid das Risiko für Schilddrüsenkrebs erhöhen könnte.
Wird Wegovy von der Krankenkasse bezahlt?
Kassenpatienten müssen eine Behandlung mit Wegovy zunächst selbst bezahlen. Insbesondere Arzneimittel, die der Abmagerung, dem Zügeln des Appetit* und zur Regulierung des Körpergewichts dienen, sind nach bisherigen Regelungen von der Verordnungsmöglichkeit zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.
Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft setzt sich für eine Kostenübernahme in Fällen ein, in denen Wegovy medizinisch angezeigt ist, etwa wenn andere Therapieoptionen nicht helfen. Novo Nordisk gibt den Apothekenabgabepreis einer 4-Wochen-Ration für die höchste Dosis (2,4 mg) mit gut 300 Euro an.
