Sich selber einmal pro Woche eine Spritze setzen – und schon purzeln die Pfunde. Diese Botschaft geistert schon länger durch soziale Netzwerke und die Medien. Die Rede ist von Wirkstoffen wie Semaglutid und Tirzepatid, die enorm beim Abnehmen helfen sollen. Was steckt dahinter?
Wegovy ist aus der Diabetes-Therapie entstanden
Semaglutid wirkt in ähnlicher Weise wie ein körpereigenes Hormon namens GLP-1, das unter anderem den Appetit hemmt. Als Wirkstoff der Injektionslösung Ozempic ist es seit einigen Jahren zur Therapie von Typ-2-Diabetes zugelassen. Beim Einsatz zeigte sich, dass viele Anwendende als günstigen Nebeneffekt Gewicht verlieren.
Um diese Wirkung noch zu verbessern, wurde Wegovy entwickelt – ein höher dosiertes Arzneimittel als Ozempic, das ebenfalls als Injektionslösung im Fertigpen verabreicht wird. Die EU-Kommission hat es Anfang 2022 zum Einsatz bei starkem Übergewicht zugelassen.
Mit Mounjaro nun zweites Mittel verfügbar
Eine ähnliche Wirkung entfaltet das Präparat Mounjaro mit dem Wirkstoff Tirzepatid. Ursprünglich wurde es in der EU 2022 zur Behandlung des Typ-2-Diabetes zugelassen – Ende 2023 erfolgte eine Erweiterung des Einsatzgebietes. Seither können Ärztinnen und Ärzte das Mittel auch zum Abnehmen bei starkem Übergewicht verordnen. Wegovy hat also Konkurrenz bekommen.
Riesige Nachfrage, begrenztes Angebot
Beide Präparate sind in Deutschland verfügbar, allerdings teilweise knapp. Grund: Die enorm hohe Nachfrage. Auch Saxenda – eine schon länger zugelassene, täglich anzuwendende Abnehm-Spritze mit dem Wirkstoff Liraglutid – ist teils schwer erhältlich.
Außerdem werden für verschiedene Diabetes-Medikamente mit entsprechendem Wirkmechanismus wie Ozempic, Trulicity und Victoza mit den Inhaltsstoffen Semaglutid, Dulaglutid und Liraglutid immer wieder Lieferengpässe gemeldet. Als eine mögliche Ursache vermutet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, dass die Mittel häufig zum Abnehmen verordnet werden – obwohl sie dafür nicht zugelassen sind. Das gefährde die Versorgung von Diabetikerinnen und Diabetikern.
Andere Wege, Übergewicht in den Griff zu bekommen
- Auf die richtige Diät setzen. Wir haben den Nutzen von insgesamt 15 Diät- und Ernährungskonzepten wissenschaftlich bewertet – und können fünf empfehlen. Im Report Gewicht halten zeigen wir, wie Sie dem Jojo-Effekt ein Schnippchen schlagen.
- Bewusst genießen anstelle verzichten. Unser Buch Besser essen nebenbei hat viele Anregungen parat, die Essgewohnheiten umzustellen – unter anderem mit 30 einfachen und schnellen Rezepten.
- In Schwung kommen. Von E-Bike über Crosstrainer bis zu Yoga - auf unserer Themenseite Fitness- und Outdoorausrüstung geben wir zahlreiche Empfehlungen für körperliche Aktivitäten.
Nur für bestimmte Fälle zugelassen
Auch für die „offiziellen“ Abnehm-Spritzen gelten Bedingungen. Zugelassen sind Wegovy und Mounjaro in Kombination mit einer Diät und körperlicher Aktivität für:
- Erwachsene mit Adipositas, also einem Body-Mass-Index (BMI) ab 30 sowie
- Erwachsene mit erhöhtem Übergewicht (BMI ab 27) und damit verbundenen Gesundheitsproblemen wie Typ-2-Diabetes oder Bluthochdruck.
Wegovy kann ferner bei Jugendlichen ab 12 Jahren mit Adipositas und einem Körpergewicht von mehr als 60 Kilo verordnet werden.
Wichtig: Für den Einsatz bei leichtem Übergewicht und ohne Diabetes sind die Mittel nicht vorgesehen und geprüft – und zudem rezeptpflichtig. Interessierte klären also mit Arzt oder Ärztin, ob die Spritze infrage kommt.
Krankenkassen tragen die Kosten nicht
Die Kosten für die Abnehm-Spritzen belaufen sich je nach Dosierung auf etwa 200 bis 300 Euro pro Monat. Krankenkassen erstatten sie derzeit nicht. Denn Medikamente, die zum Abnehmen eingesetzt werden, gelten in Deutschland als „Lifestyle-Arzneimittel“ und können nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss, ein Gremium, das in Deutschland über Kassenleistungen entscheidet, im März 2024 formal bestätigt.
Achtung: Fälschungen im Umlauf!
Wichtig: Kaufen Sie keine Abnehm-Spritzen, die ohne Rezept in Online-Shops erhältlich sind. Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich um gefälschte Medikamente, die möglicherweise gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe enthalten. Auch im legalen Vertriebsweg sind bereits Fälschungen der lukrativen Abnehm-Spritzen aufgetaucht, wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mitteilte – aber demnach hierzulande dank Sicherheitsmaßnahmen von Behörden und Apotheken offenbar nicht zu Patientinnen und Patienten gelangt.
Studien zeigen Gewichtsverlust von 15 Kilo und mehr
Studien belegen, dass die Spritzen Menschen mit starkem Übergewicht beim Abnehmen helfen können – und zwar deutlich besser als bisherige Medikamente. Für die größte dieser Untersuchungen zu Wegovy namens Step 1 wurden knapp 2000 schwer Übergewichtige – mehrheitlich Frauen, die im Schnitt rund 105 Kilogramm wogen – zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt. Jene, die sich einmal wöchentlich Semaglutid spritzten, verloren in 17Monaten im Schnitt 15,3 Kilo, also ungefähr 15 Prozent ihres Körpergewichts. In der Vergleichsgruppe waren es nur 2,6 Kilo.
Der Effekt von Mounjaro ist wohl sogar noch etwas größer. Das zeigt die Studie Surmount-1 mit mehr als 2500 Teilnehmenden, die ebenfalls durchschnittlich 105 Kilogramm wogen. Nach etwa 18 Monaten hatten sie je nach eingesetzter Dosis der Spritze im Schnitt 16,1 bis 23,6 Kilo abgenommen. Unter Placebo waren es 2,4 Kilo.
Nutzen fürs Herz-Kreislauf-System
Auch weitere günstige Effekte der Abnehm-Spritzen sind möglich. So hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA Wegovy im März 2024 auch zum Schutz vor Herz-Kreislaufvorfällen wie Herzinfarkt und Schlaganfall bei Menschen zugelassen, die an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden und übergewichtig sind. Den Nutzen in diesem Einsatzgebiet zeigt eine Studie namens Select.
Langzeiteffekte bisher unbekannt
Wie wirksam und sicher die Mittel im langfristigen Einsatz sind, bleibt abzuwarten. Zu den bereits aus den Studien bekannten häufigen Nebenwirkungen zählen vor allem Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.
Die Studienbeteiligten wurden intensiv dabei unterstützt, Kalorien einzusparen und sich mindestens 150Minuten pro Woche zu bewegen. Solche Veränderungen des Lebensstils bleiben auch beim Abnehmen mit Spritze niemandem erspart. Ansonsten kehren die Pfunde nach dem Absetzen nur allzuleicht wieder zurück.